Gender und Gesundheit

Im Gesundheitssektor findet sich eine verhältnismäßig hohe Anzahl an professionell ausgebildeten, weiblichen Fachkräften. Ähnlich wie im Bildungsbereich ist die Ausbildung weiblichen Fachpersonals hier weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert und bietet den Frauen die Möglichkeit eines gesicherten Einkommens; obgleich im Rahmen der bedingten beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten. Denn Führungspositionen werden auch im Gesundheitssektor größtenteils von Männern besetzt und die meisten Frauen sind keine Ärztinnen sondern „nur“ Krankenschwestern. Dieser Zustand wird durch vorherrschende Rollenmuster ebenso wie durch begrenzte Bildungsangebote und Angebote an alternativen Berufsfeldern gefestigt. Dabei fiel vielen Frauen traditionell im Medizinwesen, wie auch im landwirtschaftlichen Bereich, in vorkolonialer Zeit eine bedeutende und gesellschaftlich anerkannte Funktion zu.

Hauptthemen in Kontext von „Gender und Gesundheit“ sind der mangelnde Zugang für Frauen zum Gesundheitswesen und die schlechte medizinische Grundversorgung von Kindern und Müttern als zentrale Entwicklungshemmnisse. In Ländern mit einer unzureichenden medizinischen Betreuung und zumeist hohen AIDS-Raten übernehmen vor allem Frauen die Pflege erkrankter Menschen und Familienmitglieder. Die Frage nach dem Zugang zu Medikamenten und medizinischer Grundversorgung erfährt im Zusammenhang mit HIV/ AIDS noch einmal zusätzliche Brisanz. Der Zugang zu Medikamenten an staatlichen Krankenhäusern wird für viele Erkrankte nicht gewährleistet. Viele (weibliche) Vergewaltigungsopfer und HIV-positive Mütter leiden darunter, dass ihnen wichtige Medikamente vorenthalten werden. Auf der Basis grundlegender Menschenrechte fordern daher AIDS-Netzwerke und Frauenrechtsorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene einen Zugang zu Medikamenten.
Ein gesellschaftliches und persönliches Gesundheitsproblem stellt zudem die geschlechtsspezifische Gewalt dar. In vielen Fällen wird die Entscheidungsgewalt von Frauen in sexuellen Fragen, d.h. auch die Entscheidung über Verhütung und/oder den Schutz vor Geschlechtskrankheiten, durch sexuelle und körperliche Gewalt oder Gewaltandrohungen eingeschränkt oder ganz unterbunden. Die daraus resultierenden HIV-Infizierungen, ebenso wie die damit verbundenen medizinischen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Erkrankten (von den persönlichen ganz zu schweigen) können demnach als eine unmittelbare Folgen dieser Gewalt gesehen werden. Gerade beim Thema HIV/AIDS sind daher gesundheitliche Konsequenzen und Auswirkungen eng mit grundsätzlichen Fragen nach den gesellschaftlichen Ursachen und Bedingungen für die Verbreitung der Krankheit, vor allem auch im Bezug einen Wandel männlichen Verhaltens, verwoben.

Dieser Wandel und eine notwendige neue Einsichtigkeit von männlicher Seite sind ebenso unabdingbar für die Einführung eines Rechts für Frauen auf einen legalen Schwangerschaftsabbruch. Nur in wenigen afrikanischen Ländern ist Frauen diese Möglichkeit gegeben. Oft verurteilen einflussreiche christliche oder islamische Gruppierungen und patriarchale Interessenallianzen das als einen Angriff auf die soziale und „gottgegebene“ familiäre Ordnung.

Religiöse Rechtfertigungen finden sich auch bei den Befürwortern von Genitalverstümmelungen und Beschneidungen. Diese finden sich sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen und werden vorgeblich in einigen Ländern Westafrikas und vor allem in Nord-Ostafrika, jedoch keineswegs auf dem gesamten Kontinent praktiziert.

Obgleich über die traumatischen und schrecklichen Konsequenzen für die Betroffenen nicht diskutiert werden braucht, distanzieren sich Gegenbewegungen von ÄrztInnen und Frauenrechtsorganisationen tendenziell von einer ausschließlichen Verurteilung. Selbstverständlich sind Gesetze zu Gunsten der Opfer und zur strafrechtlichen Sanktionierung der Ausführenden unabdingbar. Dennoch ist der Ritus der Genitalverstümmelung nicht als ein kulturelles Phänomen anzusehen, dass grausam- jedoch unveränderlich ist. Finanzielle Alternativen für die traditionellen Beschneiderinnen sind daher ebenso wie grundlegende Veränderungen in männlich gezeichneten und kulturell geprägten Körper- und Weiblichkeitskonzepten Bestandteil eines langwierigen Prozesses zur Abschaffung der Genitalverstümmelung.
Der Nichtregierungsorganisation TOSTAN („Durchbruch“) ist mit ihrem informellen Bildungsprogramm CEP (Community Empowerment Program) ein entscheidender Schritt im Kampf gegen die meist weibliche „Beschneidung“ gelungen. In dem sie im Rahmen des CEP auch über Gesundheit und die Menschenrechte informierten, lösten sie eine Bewegung aus, in deren Zuge sich ganze Gruppen entschieden, Beschneidung, Kinder- und Zwangsheirat abzuschaffen und die Menschenrechte in die Praxis umzusetzen. In der Folge wurde das Programm in weiter organisierter Form umgesetzt, mit der Intention, eine kollektive Entscheidungsfindung anzuregen, sozialen Veränderungsprozessen den Weg zu bereiten und so letztlich die Abschaffung der Beschneidung als soziale Konvention zu bewirken. Die „Erfolgsstrategie“ von Tostan und Partnerorganisationen wie UNICEF ist es dabei, lokalen und religiösen Autoritäten sowie Gemeindemitgliedern den formalen Raum für Treffen und Diskussionen zu bieten und ein stets respektvoller Umgang mit den Menschen und ihrer Kultur.

(Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tostan
http://www.unicef.de/suche?search=beschneidungen
Rita Schäfer: „Afrika- Gender-Aspekte bei der Darstellung eines Kontinents")


Aus der Vielzahl der anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen zur Ergänzung und Verbesserung der gesundheitlichen Grundversorgung sind z.B AIDS-AWARENESS aufzuführen, die sich der präventiven Aufklärungsarbeit widmen. Andere Organisationen leisten beispielsweise als HOME-BASED-CARE-Gruppen Unterstützung in der Pflege erkrankter Angehöriger. Auch Männergruppen engagieren sich für Geschlechtergerechtigkeit. So gibt es Männergruppen, die sich als interessenübergreifende Gemeinschaften aus homosexuellen Gruppen und solcher (christlich orientierter) Männer formieren, und eine Alternative zum vorherrschenden und althergebrachten Männlichkeitsverständnis suchen.

Links zum Thema: http://www.capegateway.gov.za/eng/your_life/4491
http://www.avert.org/hiv-aids-africa.htm

Foto: Joachim Schmeisser/immagis